Jeder Mensch beherbergt eine Vielzahl von Käfer in seinem Körper. Insgesamt rund zwei Kilogramm – was einer ganzen Schuhschachtel voll entspricht. Die meisten dieser Käfer leben in unserem Darm. Früher nannte man sie Darmflora, der heutige Fachbegriff dafür ist Mikrobiota. Die Käfervielfalt in jedem von uns unterscheidet sich zum Teil deutlich. Der Artenreichtum wird etwa zu 40 % durch unsere Umwelt bestimmt. Über den Rest entscheidet die Ernährung, die Lebensweise und die Veranlagung.
Je grösser die Käfervielfalt, desto besser
Es wird geschätzt, dass sich über 1000 verschiedene Bakterienarten im Darm eines Erwachsenen befinden. Je grösser die Diversität, desto besser. Eine zentrale Aufgabe des farbigen Käferhaufens auf der Darmschleimhaut ist es nämlich, den Körper vor Schadstoffen zu schützen, die über die Nahrung in den Magen-Darm-Trakt gelangen. Ist diese Bakterien-Schutzschicht ungenügend, können giftige Stoffe und unvollständig verdaute Nahrungsbestandteile den Darm beschädigen. Die Bakterien-Schutzschicht funktioniert dann wie ein Hausdach mit einem Loch. Durch dieses Loch fällt alles Mögliche ins Haus rein und macht es von innen heraus kaputt. Man vermutet, dass eine geringe Käfervielfalt eine Ursache für eine ungenügende Bakterien-Schutzschicht im Darm ist. In der Forschung diskutierte Folgen können chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, Adipositas,Typ-2-Diabetes, Fettleber, Autismus, Depressionen und Infektionen sein.
Der entscheidende Faktor – die Ernährung
Das Mikrobiota leidet unter einer einseitigen Ernährung. Wer beispielsweise auf tierische Produkte verzichtet oder strenge Diät hält, verringert damit die Käfervielfalt1. Das reduziert den Schutz vor Krankheitserregern. Ungünstig ist das auch, weil die Käfer im Darm Teile der Nahrung verwerten können, die ansonsten unverdaulich bleiben. Vitamin B12 beispielsweise kann nur von einem gesunden Mikrobiota in ausreichender Menge hergestellt werden. Ein gesunder Vitamin-B12-Spiegel ist deshalb nicht nur von der Zufuhr über die Nahrung, sondern auch direkt vom Zustand des Darms abhängig. Heute weiss man auch, dass das Mikrobiota Substanzen herstellt, die im Gehirn unser Empfinden und Handeln steuern. Die kleinen Käfer in unserem Darm beeinflussen also auch unser psychisches Wohlbefinden entscheidend mit.
Der Einfluss Ihrer Lebensweise
Mit dem Wissen um die Bedeutung der Darmbesiedelung wächst auch die Erkenntnis, wie sehr die Käfervielfalt in den Industrieländern bedroht ist. Neueste Forschungsergebnisse aus dem Amazonas zeigen auf, wie artenreich das Mikrobiota der dort lebenden Ureinwohner ist*. Hier bei uns geht die Käfervielfalt zurück, weil Schutzfaktoren, wie das Aufwachsen auf dem Bauernhof, der Kontakt zu vielen Kindern und das Spielen im Wald, tendenziell abnehmen. Ein Leben mit ein bisschen “meh Dräck” wäre daher sinnvoll. Der amerikanische Liebesroman “Everything, Everything” von Nicola Yoon, zeigt wunderbar auf, welche Folgen eine zu sterile Umwelt für einen gesunden Menschen haben kann.
Deshalb: Fangen Sie lieber heute, vorsorglich, als morgen damit an, etwas für Ihre Darmkäfer und somit für Ihre Gesundheit zu tun.
Zukunftshoffnung
Die Forschung ist dabei Krankheiten anhand der Käferpopulationen im Darm zu erkennen. Es besteht Hoffnung, dass Diabetes, Übergewicht, Allergien oder Depressionen dann eines Tages mit einer spezifischen Ernährung behandelbar sind. Aktuell ist das jedoch Zukunftsmusik. Trotzdem können Sie schon heute, vorsorglich, etwas für Ihr Darmkäfer und somit für Ihre Gesundheit tun.
Expertentipp:
Mit dieser Ernährung können Darmbakterien optimal gefördert und gepflegt werden:
- Füttern Sie Ihre Käfer grosszügig mit Früchten, Gemüse und einem abwechslungsreichen Speiseplan. Die dadurch wohlgenährten Darmbewohner vermehren sich, sorgen für eine optimale Bakterienschutzschicht und damit für gute Gesundheit und Leistungsfähigkeit.
- Industriell stark verarbeitete Lebensmittel, mit zu viel Zucker, gesättigten Fetten oder Zusatzstoffen, reduzieren die Käfervielfalt. Eine dezimierte Vielfalt kann die Ursache für Unwohlsein, Leistungseinbussen oder Krankheiten sein. Bevorzugen Sie deshalb natürliche Nahrung.
- Eine schlanke Figur gilt für viele nach wie vor als erstrebenswert. Aber bitte nicht um jeden Preis. Denn was Ihr Körper wirklich braucht, ist eine ausgewogene Ernährung. Verzichten Sie auf Diäten. Diäten sind immer einschränkend, was die gesunde Käfervielfalt zwangsläufig reduziert.
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*Die Sendung «Einstein», ausgestrahlt am 24.09.2020 im SRF, zeigt beispielhaft auf, wie sich die glutenfreie und vegetarische Ernährung von Kathrin Hönegger auf ihr Mikrobiota auswirkt und welchen positiven Einfluss eine minimale Veränderung der Ernährung hat. Die Sendung bringt auf den Punkt, weshalb Darmbakterien für die Gesundheit so entscheidend sind.