Gentests können Sie im Internet kaufen. Was der Anbieter von Ihnen braucht, ist ein bisschen Speichel. Dieser wird eingesendet und nach zwei bis drei Wochen erhalten Sie personalisierte Ernährungsempfehlungen. Abhängig von der ausgewählten Analyse lautet das Versprechen; Gewichtsreduktion, mehr Gesundheit oder verbesserte Leistungsfähigkeit. Wow, genau mein Ding, habe ich mir gedacht.
Die Nutrigenetik untersucht die Beziehung zwischen Ernährung und Erbgut. Unter anderem wird analysiert, inwiefern unsere Gene ernährungs(mit)bedingte Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Probleme, Übergewicht, Diabetes oder Krebs beeinflussen. Ein Bestandteil der Nutrigenetik ist es, per Gentest massgeschneiderte Ernährungspläne, zum Beispiel zur Gewichtsoptimierung, zu erstellen.
der zweifelhafte nutzen
Wie alle Ernährungspläne schränken auch gen-basierte Pläne die Menüauswahl ein. Zwar gibt es meist keine ausdrücklichen Verbote, reguliert wird trotzdem, z.B. über ein Ampelsystem. Wobei auch rot gekennzeichnete Lebensmittel gegessen werden dürfen. Wer sich dabei an die vorgegebenen Höchstmengen hält, macht alles richtig. Abnehmen wird zum Kinderspiel. Einschränkungen einzelner Lebensmittelgruppen und das Abwägen der Portionengrössen machen es möglich.
Leicht übergewichtige Frauen und Männer, die über mehrere Wochen strikt nach massgeschneiderten Ernährungsplänen gegessen haben, konnten sich über rasche Erfolge freuen. Trotzdem, wie Monopoly war es nicht. Viele empfanden das Essen nach Plan auf Dauer wenig lustvoll. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die Gen-Ernährung kaum von anderen Diäten. Zudem sind Gen-Analysen teuer. Die Investition darf hinterfragt werden.
Hauptsache Persönlich
Im Rahmen des europäischen Forschungsprojekts "Food4Me" gaben rund 1600 Freiwillige Blutproben und Abstriche ihrer Mundscheimhäute ab. Basierend auf dem Erbgut erhielten sie individuelle Ernährungsempfehlungen. Es zeigte sich: Die an der Studie teilnehmenden Probanden konnten ihre Essgewohnheiten leichter umstellen als bisher. Im direkten Vergleich mit Personen, die ganz allgemeine Hinweise zu gesunder Ernährung erhielten, ein jedoch wenig überraschendes Ergebnis. Es fällt Menschen ganz allgemein leichter, ihre Essgewohnheiten umzustellen, wenn die Empfehlungen für sie ganz persönlich gelten. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Empfehlungen auf Genanalysen, auf Blutwerten oder Experteninputs beruhen.
IST GEN-ERNÄHRUNG ALLTAGSTAUGLICH?
Bedingt ja, jedoch fehlt meist die Nachhaltigkeit. Denn spätestens nach 52 Wochen haben Mann wie Frau genug vom «Plan-Essen.» Erfahrungsgemäss nimmt zudem die Lust auf ungünstige Lebensmittel wieder zu. Wer dann (auch nur gelegentlich) ausserplanmässig zulangt, fällt schonungslos in alte Muster zurück. Das zeigt, auch gen-basierte Ernährungskorsetts sind nicht wirkungsvoller als andere Diäten.
Jeder High Heel war mal ein Kinderschuh
Nutrigenetiker sind sich sicher: Genetisch personalisierte Speisepläne haben das Potenzial, unsere Ernährungsweise zu revolutionieren. Das Zusammenspiel der Gene ist hoch kompliziert und bislang nur zum Teil verstanden. Geben wir der Forschung noch etwas Zeit. In ein paar Jahren schon gibt es dann vielleicht eine App, die auf Basis des Gen-Profils unseren persönlichen Ernährungsplan überwacht. Auf dem Display würden fortlaufend massgeschneiderte Empfehlungen angezeigt. Diese App berechnet dann beispielsweise, ob wir schon genügend Kalzium zu uns genommen haben, welche Vitamine noch fehlen, ob wir beim Abendessen aufs Nachsalzen verzichten sollten, oder ob der Fettstoffwechsel eine Bratwurst mit Rösti erlaubt. Angereichert mit technischer Unterstützung kann sich die flexible Umsetzung des persönlichen Ernährungsplans vereinfachen und zu mehr Umsetzungsfreude führen. Ich bin gespannt.
Expertentipps für verunsicherte
Bis dahin liebe Esser-/innen empfehle ich Ihnen, gönnen Sie Ihrem Körper mit gesundem Menschenverstand das, worauf Ihre Seele Lust hat. So mache ich es.